WCTAG Nothilfe Ukraine - Update

Zunächst herzlichen Dank an alle Spenderinnen und Spender aus Deutschland, der Schweiz, England, Österreich, Belgien und den USA - Eure Hilfsbereitschaft freut uns sehr!

Wir haben auch mehrere Spenden von Menschen bekommen, die kein Mitglied der WCTAG sind und unseren Spendenaufruf bei Facebook gelesen haben. Auch das finden wir großartig.

Hier mein Update, vorerst mit dem Versuch einiger Stimmungsbilder ‚unserer‘ Geflüchteten:

Lena (62) aus Charkiw im Norden der Ukraine wurde mitten in der Nacht von einem Bombenalarm aus dem Schlaf geschreckt. In Panik ist sie mit ihrem kleinen Hund in den Keller geflüchtet. Drei Tage und Nächte hat sie dort fast ohne Wasser und ohne Nahrung verbracht. Währenddessen wurde das Haus über ihr zerstört, es flogen unablässig Raketen und es wurde mit Maschinengewehren gefeuert. Sie wurde aus den Trümmern gerettet und ist am nächsten Tag mit ihrer Tochter, ihrem Enkel, einer Freundin und ihrem Hund geflüchtet. Während des Gesprächs mit meiner Frau, das mit Händen, Füßen und dem google-Übersetzer geführt wird, bricht sie immer wieder in Tränen aus - nun aber ist sie in Sicherheit in unserem Projekt in Werneuchen.

Irina, ebenfalls aus dem Norden der Ukraine, wurde von ihrem Mann zusammen mit ihrem 6-jährigen Sohn und einer Freundin mit dem Auto an die Grenze zu Polen gebracht. Drei Tage (statt normal 16-18 Stunden) hat das gedauert. Immer wieder wurde die Fahrt durch Bombenalarme und Straßensperren unterbrochen. Russische Soldaten hielten andere Autos an, vertrieben die Insassen mit Waffengewalt und behielten die Autos. Sie hatten Glück, konnten noch rechtzeitig ausweichen und erreichten schließlich die Grenze. Dort mussten sie sich von ihrem Mann und Vater verabschieden. Er musste zurückfahren, denn Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen offiziell die Ukraine nicht verlassen. Irina und ihr Sohn kamen per Bus und Zug über Krakau und Berlin nach Werneuchen und sind jetzt ebenfalls bei uns in Sicherheit. Manchmal erreicht sie ihren Mann über Telefon und WhatsApp. 

Alina, ihre 6-jährige Tochter und ihre drei Söhne im Alter von 14 bis 17 kommen aus Aserbaidschan. Sie waren schon einige Zeit vor dem Krieg in die Ukraine geflohen und hatten dort eine Aufenthaltsberechtigung erlangt. Nun mussten sie erneut fliehen, völlig mittellos, mit ein paar Kleidungsstücken in Plastiktaschen. Auch sie sind jetzt bei uns untergebracht. Sie sind unglaublich bescheiden und zurückhaltend, die Söhne packen ungefragt überall dort mit an, wo es gebraucht wird. 

Diese Beispiele sind stellvertretend für alle anderen Schicksale, denen wir hier begegnen. Mittlerweile sind die Büroräume, die zur Unterkunft für ‚unsere‘ 25 Personen (und drei Hunden), zur Verfügung gestellt wurden, voll belegt. Ein Team von Helferinnen und Helfern baute die Küche auf, holte Sachspenden wie Kleidung und Möbel ab, ging zusammen mit den Flüchtlingen einkaufen, kümmert sich um die Geflüchteten, um Registrierung und Anmeldung etc. Keineswegs ist es aber so, dass die Geflüchteten nur zusehen und nicht mithelfen wenn es notwendig ist, im Gegenteil. 

Auch gibt es hier (Werneuchen und Umgebung) jetzt ein Netzwerk aus anderen privaten und auch staatlichen sowie kirchlichen Hilfsaktionen, die sich austauschen und gegenseitig unterstützen.

Von den Spenden der WCTAG konnten bisher Matratzen, Bettdecken, Kopfkissen, eine Mikrowelle, eine gebrauchte Küche, eine Waschmaschine, Küchenutensilien, ein Reiskocher und ausreichend Lebensmittel gekauft werden. Auch wurde anfänglich Überbrückungsgeld vergeben. Bessere Duschmöglichkeiten sind noch dabei, besorgt zu werden. Alle Spenderinnen und Spender erhalten am 22. April eine detaillierte Aufstellung über die Verwendung der Spenden. 

Zudem hat der finanzielle Rückhalt und dessen Perspektiven, der durch Eure Spenden gegeben war, das Durchhaltevermögen und die Zuversicht aller gestärkt, so dass alle gemeinsam auch in den Situationen, wo es kurzfristig so aussah, als würde alles scheitern, durchgehalten haben, was ebenfalls maßgeblich mit zum Erfolg geführt hat.

Die absolute Notsituation wie zu Beginn der Aktion ist nun glücklicherweise, zumindest in unserem Projekt, nicht mehr gegeben und konnte mit Eurer Hilfe sehr deutlich verbessert werden. Nachdem zu Anfang nicht einmal klar war, ob die Flüchtlinge es überhaupt bis nach Deutschland schaffen - der Kontakt zu Wolfram, dessen Lebensgefährtin aus der Ukraine kommt und der den Flüchtlingen in die Ukraine entgegen gefahren war, war zwischenzeitlich abgerissen - stellt sich heute die Situation völlig anders dar. Jetzt gibt es sogar eine WhatsApp-Gruppe, über die regelmäßig kommuniziert wird. Wolfram und ein anderer Helfer sprechen die Landessprache bzw. fließend russisch, wir anderen kommen mittlerweile mit diversen Übersetzungs-Apps gut zurecht. 

Aktuell sind die Flüchtlinge weitestgehend versorgt, d.h. sie haben eingerichtete Zimmer, sie sind bei den deutschen Behörden registriert und haben von diesen Geld (€ 360,00 pro Person, auch die Kinder) erhalten. Für den nächsten Monat werden sie nochmals € 360,00 pro Person bekommen. Ab Juni gibt es Beihilfen ähnlich wie Hartz IV, also ca. € 400,00 monatlich für Erwachsene, ab ca. € 300,00 aufwärts, gestaffelt nach Alter, für die Kinder. Sie gehen selbständig einkaufen, erhalten seit dieser Woche 2 x wöchentlich Sprachunterricht, einige nehmen seit der letzten Woche an Sport in einem Verein teil, die Schul-Aufnahmeanträge für die Kinder sind gestellt. Eine gewisse Normalität ist eingekehrt, einige wollen in Deutschland bleiben, einige möchten bald wieder zurück in die Ukraine.

Daher wollen wir die Beteiligung der WCTAG an der Aktion an diesem Punkt erst einmal erfolgreich beenden und würden uns wieder melden, falls durch unvorhergesehene Vorfälle unsere Hilfe wieder gebraucht wird. Ich selbst werde weiter in erforderlichem Maße an der Aktion beteiligt bleiben.

Nochmals meinen herzlichen Dank und bei Fragen schickt mir einfach eine E-mail an brodde(at)wctag.de

Die Fotos zeigen die hergestellte Unterkunft und ihre Inbetriebnahme.

 

Liebe Grüße und alles Gute für Euch

Ulrich Brodde